Autor Thema: Aus Sorge um einen Freund  (Gelesen 6433 mal)

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Offline Eileen

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Aus Sorge um einen Freund
« am: Mittwoch, 23.05.2007, 14:32:08 »
Nachdenklich stand Eileen vor dem Altar und blickte unsicher auf das rote Tuch und die vier farbigen Kerzen darauf. Die vier Flammen waren das einzige Licht auf der windumspielten Terrasse von Burg Grüntann. Ansonsten umgab sie fast völlige Dunkelheit.
 Auf ihren Wunsch hin hatten die Männer und Frauen des Drachenordens sie hier allein gelassen. Eileen hatte noch nie zu den Alten Drachen gebetet und hatte Angst, den Riten des Ordens nicht zu genügen.  Zwar hatte Raurik ihr versichert, das sie sich auf der Suche nach Trost oder Weisung jederzeit an Die Vier wenden könnte – ungeachtet jeder Form – aber die Wahrheit war, dass sie sich noch immer nicht sicher war, ob es ihr überhaupt zustand. Ja, sie trug das Zeichen des Ordens an ihrem Gürtel und ja, sie trug es voller Stolz aber gab ihr das das Recht, die Alten Drachen um etwas zu bitten? Schließlich hatte sie nie eine Ihrer Weihen erhalten und schlimmer noch, ab und an wirkte sie Zauber, die der Drachenorden verurteilte. Zwar hatte sie begonnen, eben jene Zauber in Frage zu stellen, aber dennoch...
Eine vertraute Präsenz berührte ihren Geist. Eileen wollte sich schon ihrem Totem zuwenden, als Luchs sie so unmissverständlich wie aufmunternd in den Rücken stieß. Wie Recht er hatte. Hier ging es schließlich nicht um sie.

Mit einem tiefen Atemzug trat Eileen eine Schritt vor, sank auf ein Knie und senkte den Kopf.
„Ihr Vier Alten Drachen“, begann sie. „Bitte vergebt mir, dass ich das Wort an Euch richte. Doch nicht um meinetwillen spreche ich hier zu Euch, sondern um für einen Mann zu bitten, den ich mit Freuden ‚Bruder’ nennen würde, stünde es mir zu. Ein Sohn des Ordens, Euer Streiter Norik...“
Sie stockte. All die Worte, die sie sich zurecht gelegt hatte waren plötzlich verschwunden, als die wiederaufkeimende Sorge ihr die Kehle zuschnürte. Sie fühlte sich so hilflos. Nicht nur, dass es kaum in ihrer Macht lag, Norik zu helfen; die Brüder und Schwestern des Drachenordens waren sich sicher, dass Norik jede Hilfe ablehnen würde. Er musste diesen Weg ohne seine Freunde beschreiten. Und eben das machte ihr Angst.
„Bitte“, fuhr sie fort. „Bitte steht ihm in dieser schweren Zeit bei. Ich...“
Abermals brach Eileen ab, unfähig, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. Es zerriss ihr das Herz, als sie an Norik dachte und an die Trauer in den Gesichtern seiner Ordensbrüder. Und in Noriks Augen hatte ein so unsäglicher Schmerz gestanden. Wenn sie ihn doch nur lindern könnte!
„Sorge Dich nicht, Eileen. Er ist in unserer Obhut.“
Eileen schrak zusammen und blinzelte in die Kerzenflammen. Was...? Die machtvolle Stimme hatte in ihrer Seele geklungen und sie mit Wärme erfüllt, Zuneigung sogar. Aber konnte das sein? Spielten ihre Ängste und Sehnsüchte ihr einen Streich? Gaukelte ihre Hoffnung ihr...
Diesmal war die Stimme ungleich gebieterischer.
„Zweifle nicht.“
Eileen hob den Kopf und blickte in den Nachthimmel über ihr. Er war mit unzähligen strahlenden Sternen übersäht.
Sie lächelte.
« Letzte Änderung: Freitag, 08.06.2007, 00:56:00 von Eileen »
"Ragna, geh mal einen Schritt beiseite - ewig stehst Du im Licht!"

Offline Eileen

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Re: Aus Sorgen um einen Freund
« Antwort #1 am: Donnerstag, 07.06.2007, 19:40:46 »
„Ich freue mich auf den Tag, an dem Norik bei den Andachten wieder bei uns steht,“ sagte Eileen mehr zu sich selbst und warf einen Blick über die Schulter. „Aye,“ seufzte Raurik schwer zu ihrer Linken.
Sie waren auf den Falkeninseln und der Orden versammelte sich zur Morgenandacht. Und auch Eileen war hinzugetreten, vereint mit den Anderen im Glauben an die Alten Drachen. Und Norik... Norik hielt sich abseits, blieb ihrem Kreis fern und würde die Andacht aus einiger Entfernung verfolgen. Sie seufzte und wandte ihre Aufmerksamkeit Dinivan zu, der mit der Andacht begann.

Später, viel später an diesem Tag kehrte Eileen in das kleine Zeltlager zurück, um die Anwesenden in einer eigenartigen Stimmung vorzufinden. Irgendetwas war geschehen. Norik saß auf dem Boden und wirkte seltsam gelöst, Dana war wie immer an seiner Seite. Ragna machte ein Gesicht, als müsse sie immerfort gegen Tränen ankämpfen. Die anderen saßen schweigend, schienen aber eigenartig zufrieden. Eileen begriff nicht, was geschehen war, aber als Norik den Kopf hob und sie kurz ansah konnte sie nicht umhin, als zu lächeln. Er wirkte  - ergriffen. Was auch immer geschehen war, es musste ihn aufgewühlt haben, aber nicht im Schlechten. Sie stutze und ging ungläubig in die Hocke, streckte vorsichtig die Hand nach Norik aus. Doch, es stimmte! Die Finsternis, die ihn wie ein Schandmal umgeben hatte, war verschwunden! Verwundert suchte Eileen Noriks Blick, doch dieser saß in sich gekehrt und schien zu verarbeiten, was ihm wiederfahren war. „Er hatte eine Vision“, sagte Dana. Sie wirkte glücklich.
Aus den halbgeflüsterten andächtigen Bemerkungen der Anwesenden konnte Eileen schließlich ersehen, dass es Azauron selbst gewesen war, der Norik von der Dunklen Aura befreit hatte. Ta’il Azauron!
Nun merkte Eileen, dass auch sie lächelte. Es war schwer etwas anderes zu tun. Die ehrfurchtsvolle Stimmung hatte vom ganzen Lager Besitz ergriffen und alle blickten auf Norik, der so erlöst wirkte, dass es einem das Herz wärmte. Kaum einer wusste in Worte zu fassen, was dies für sie alle bedeutete aber alle versuchten es. Eileen blicke in den Nachthimmel. „Zweifle nicht“, murmelte sie lächelnd.
"Ragna, geh mal einen Schritt beiseite - ewig stehst Du im Licht!"

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Re: Aus Sorgen um einen Freund
« Antwort #2 am: Donnerstag, 07.06.2007, 20:22:31 »
Irgendwann sagte Norik leise: „Nun habe ich auch endlich nicht mehr das Gefühl, mit meiner Anwesenheit jemanden zu beschmutzen.“ Eileen starrte Norik ein paar Herzschläge lang einfach nur an. Neben ihr quiekte Ragna „Beschmutzen?!“ und brach in Tränen aus. Eileen konnte sie gut verstehen. Sie war selbst hin und hergerissen zwischen dem Drang, Norik um den Hals zu fallen oder ihn zu schlagen. Zugegeben, sie hatte vermutlich keine Vorstellung davon, was es bedeutete, ein Paladin zu sein. Wenn sie ehrlich war, hatte sie ganz sicher keine Vorstellung davon. Aber wusste dieser Mann denn wirklich nicht, dass sie alle unter seiner Abwesenheit gelitten hatten, und nicht unter seiner Anwesenheit?
Ragna und sie rangen gleichzeitig um Worte, um ihm genau das klarzumachen, als Norik an sich hinunterblickte und unvermittelt sagte: „Ich trage zuviel Schwarz.“
Diese Äußerung wurde sofort von allen Seiten bekräftigt und Dana sagte: „Ich habe da was. Deinen Wappenrock haben wir ja zurückgelassen, aber etwas habe ich doch mitgenommen.“ Und mit diesen Worten verschwand sie in’s Zelt. Eileen grinste zufrieden. Auf Dana war Verlass!
Raurik kam schlaftrunken aus seinem Zelt und blickte sich verwundert um. Er bemerkte schnell, welche Veränderung sein Bruder vollzogen hatte. Und Raurik wirkte nicht im Mindesten überrascht. Natürlich war er genauso glücklich ergriffen wie alle anderen auch, aber er sah aus wie ein Mann, der sich bestätigt sah und darüber höchst zufrieden war.
Wenig später kehrte Dana mit einem dreickigen Tuch zurück. Es war das Tuch, welches Norik immer an seinen Plattenschultern trug, flammend Rot, darauf in Schwarz ein Drache.  Das Zeichen des Drachenordens.
Norik nahm es entgegen und hielt es lächelnd in seinen Händen. Dann nickte er und sagte: „Ich glaube, es ist Zeit für ein Gebet.“
„Das glaube ich aber auch“, bekräftige Dana. Auf Eileens Armen richteten sich feine Härchen auf. Norik wandte sich Raurik zu. „Bruder, bekomme ich kurz meinen Kormath?“ „Natürlich Bruder“, erwiderte Raurik und nahm das Amulett ab, dass Norik ihm zur Aufbewahrung gegeben hatte. Norik drehte den metallenen Drachen eine Weile in den Händen. „Das fühlt sich gut an“, murmelte er. Dann küsste er das Amulett, gab es an Raurik zurück und stand entschlossen auf.
Er ging ein paar Schritte von den Zelten fort und kniete nieder. Und betete. Und mit jedem Wort, dass Norik an die alten Drachen richtete wurde seine Stimme fester.
Hinter ihm versammelten sich seine Ordensbrüder und Schwestern, ebenso wie alle Freunde. Sie begleiteten sein Gebet. Eileen war das Herz selten so leicht gewesen.
Nachdem Norik geendet hatte stand er auf und drehte sich zu ihnen allen um. Er blickte in strahlende Gesichter. „Danke,“ sagte er leicht verlegen.
Eileen trag unruhig von einem Fuß auf dem Anderen. Was sie wirklich wollte, war...
„Ach verdammt“, unterbrach Halima ihre Gedanken. „Dürfen wir ihn nun umarmen oder nicht?!“
Lachend drängten alle vorwärts um Norik in die Arme zu schließen. Und auch Eileen schlang ihre Arme um ihn.
„Ewig im Licht“, flüsterte sie glücklich.
« Letzte Änderung: Mittwoch, 20.06.2007, 18:18:04 von Eileen »
"Ragna, geh mal einen Schritt beiseite - ewig stehst Du im Licht!"